Dissektionsmikroskop von G. & S. Merz in München


Dissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890 Dissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890 Dissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890 Dissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890

Dissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890

Dissektionsmikroskop aus 1868. Das Instrument ist aus zaponiertem, sowie schwarz und braun gebeiztem Messing, gebläutem und schwarz lackiertem Stahl gefertigt.

Zur Beleuchtung dient ein großer Planspiegel, der dreifach gelagert ist und damit für schiefe Beleuchtung aus der Achse bewegt werden kann. Unter dem Tisch ist zur Regulierung eine Lochblendenrevolverscheibe mit 5 Aperturöffnungen angebracht. Objektklemmen sind für den Tisch des Mikroskops nicht vorgesehen.

Die Einstellung erfolgt über einen Prismentrieb, der den Tubusträger direkt auf dem Prisma sitzend relativ zur Tischfläche bewegt. Das Triebrad lässt sich mit der Hand bequem auf dem Tisch liegend bedienen.

Der Fuß dieses Mikroskops ist aus schwarz lackiertem Stahl gefertigt, welches auf der Unterseite wie für Merz typisch mit vier eingelassenen Lederpolstern versehen ist, um dem Mikroskop Standfestigkeit zu geben und die Schreib- oder Arbeitstischplattenfläche nicht zu beschädigen.

Dissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890: BeleuchtungDissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890: SignaturAm unteren Rand der Tischplatte sind Schwalbenschwanzführungen angebracht, die ursprünglich dazu dienen sollen Handauflagen anzubringen, diesem Mikroskop waren solche jedoch nicht beigegeben, denn es sind keinerlei mechanische Spuren an diesen Stellen zu erkennen, ferner deckt sich dies mit dem Eintrag im Kassenbuch der Firma.

Der Tubus entspricht in der Form jenem der mittleren Merz-Stative ohne Grobtrieb, er wird über das Objektivgewinde und einem Adapter verbunden, welcher einerseits als Aufnahme für das dreiteilige Objektiv dient und andererseits die Verbindung zum geschwungenen Tubusträger darstellt.

Das Instrument ist ausgestattet mit dem Okular 1 und 2.

Der Einrichtung des Kastens nach zu urteilen, wird dieses Instrument nur mit dem einen montierten Objektiv und einem Okular ausgeliefert.

Auf dem Tubus befindet sich die dekorative Signatur:

G. & S. Merz
in München

No. 890

Im Erlenholzkasten wird das Mikroskop demontiert aufbewahrt. Dieser Kasten zeigt den für die kleineren Mikroskopstative von Merz typischen Schieber zum Verschluß des Behältnisses. Dieser Schieber trägt auf der Innenseite eine Beschreibung des ersten Besitzer dieses Mikroskops:
Dissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890: Beschriftung der Türe

Microscop N. 7 mit 3 achromatischen
sich ergänzenden Linsen.
Vergrößerung 8, 16, 24
Tubus mit Ocular I - 60 fache
Vergrößerung, mit Ocular II -
120 fache Vergrößerung. - 

---

aus dem optischen Institut von
Sigmund Merz in München

J.B. v. R. Mit Kasten 40 fl 15 gr.
Dezember 1868

Dissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890: ObjektivAuf Seite 57 des Kassenbuchs von Merz finden sich folgende Eintragungen:
1868

[...]

December 16 Baron von Ruprecht hier
1 Microscop No VII laufende No 890
Praeparirmicroscop ohne Flügel aber mit Tubus
mit Ocular 1, Vergr. 8, 16, 24, 60

35

-

35

-

[...]

December 23 Baron von Ruprecht hier
1 Ocular No 2 für das Microscop 5 15 5 15

Die handschriftliche Eintragung auf der Rückseite des Kastens stammt damit vom Besitzer, Baron J. v. Ruprecht, der 6 Tage nach Erwerb des Mikroskops ein zweites Okular nachkauft. Im deutschen Adel findet sich nur ein passender Eintrag der auf einen Baron bzw. Freiherrn mit gleich klingendem Familiennamen verweist (Gothaisches genealogisches Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser. Jahrgang 49. Justus Perthes, Gotha 1899: 840), wenn auch inminimal abweichender Schreibweise: Hierbei handelt es sich um den königlich bayrischen Oberförster Johann Nepomuk Freiherr von Rupprecht (Amberg 1807 - München 1883).

Dissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890: Objektiv zerlegt

Es ist bisher noch ein weiteres Stativ gleicher Bauart mit der Seriennummer 905 bekannt.
Dissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890: Trieb Das Preisverzeichniss der Mikroskope aus dem Institute von G. & S. Merz, vorm. Utzschneider & Fraunhofer in München. (1869) listet dieses Stativ sowie das kleinere Pendant wie folgt (Heinrich Frey: Das Mikroskop und die mikroskopische Technik. Leipzig, Wilhelm Engelmann 1871: 380-381):

A. Komplete Mikroshope.

[...]

Dissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890: OkulareMikroskop Nr. 7 (Dissektions-Mikroskop),
Tisch mit Flügel, Einstellung durch Trieb, Beleuchtung in und ausser der Axe. Das Instrument besitzt 3 achromatische, sich zu einem 1/3" System ergänzende Linsen und ein terrestrisches ocular nebst Auszug.

Vergrösserung 8, 16, 24 und 40-200                  
Preis 56 fl. = 32 Thlr.

Mikroskop Nr. 7a (Einfaches Dissektions-Mikroskop).
Gleiche mechanische Aussattung, achromatische Linsen, Vergrösserung 8, 16, 24

Preis 241/2 fl. = 14 Thlr.

Dieses Mikroskopstativ taucht ohne Zubehör als einziges Mikroskop im Angebot eines Antiquitätenhändler bei einer Messe in Los Angeles auf, Stuart Warter erwirbt das Stativ von dem anbietenden Händler mit dem Versprechen, die zugehörigen weiteren Teile und den Kasten nachzuliefern. Tatsächlich findet jener Händler die fehlenden Teile in seinem Bestand wieder und Stuart Warter fährt in das entsprechende Ladengeschäft in einem guten Viertel Los Angeles, um das Instrument wieder zu vervollständigen. Im Mai 2011 wird das Mikroskop schließlich zur weiteren Vervollständigung der Sammlung von Stuart Warter an diese Sammlung zu seinem ursprünglichen eigenen Einkaufspreis verkauft.

Der am 26. Januar 1793 in Bichl bei Benediktbeuren geborene Georg Merz besucht zunächst die Schule im benachbarten Stift und hilft seinem Vater, einem Leinweber, auf dem Felde in der Landwirtschaft. Als Utzschneider in Benediktbeuren eine Fabrik zur Herstellung von Flint- und Crownglas für sein optisches Institut errichtet, tritt Merz dort 1808 als Arbeiter ein.
Angeregt von einem der Padres des mittlerweile säkularisierten Klosters studiert Merz in seiner freien Zeit mit großem Eifer Mathematik und Optik. Fraunhofer erkennt die außerordentliche Begabung des jungen Arbeiters und ernennt ihn zum Werkführer der optischen Abteilung.

Mit dem Tode Fraunhofers übernimmt Merz 1826 die Geschäftsleitung und wird zum Direktor der optischen Abteilung. Zusammen mit dem Mechaniker Franz Joseph Mahler wird er 1830 Teilhaber und 1839 Eigentümer des Instituts. Nach dem Tode Mahlers 1845 führt Georg Merz das Institut weiter unter Mitarbeit seiner Söhne Sigmund (1824 - 1908) und Ludwig (1817 - 1858). Das Institut wird nach München verlegt und die Signatur lautete "G. Merz & Söhne in München".

Hermann Schacht beschreibt 1855 in Das Mikroskop und seine Anwendung, insbesondere für Pflanzen-Anatomie (Verlag von G.W.F. Müller, Berlin 1855: 6), dass Merz & Söhne zusammen mit den meisten deutschen Optikern das Hufeisenstativ nach Oberhäuser angenommen haben.

Ludwig Merz stirbt 1858 mit 41 Jahren an Bleivergiftung, die er sich bei der Flintglasherstellung in Benediktbeuren zuzieht. Danach firmiert das Institut mit: "G. & S. Merz in München".

Dissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890 im Kasten Dissektionsmikroskop G. & S. Merz Nr. 890: Kasten
Georg Merz, Bleistiftzeichnung von Eugen Napoleon Neureuther, Original ebenfalls in dieser Sammlung1865 erreichen Mikroskope von Merz zusammen mit Instrumenten von Hartnack ein in jener Zeit unübertroffenes Auflösungsvermögen. Georg Merz stirbt am 12. Januar 1867.

Nun ist Sigmund alleiniger Inhaber des Institutes. Im Jahr 1871 hat das Unternehmen 63 Beschäftigte und signiert "G. & S. Merz (vormals Utzschneider & Fraunhofer) in München". 1883 übergibt Sigmund Merz die Münchner Werkstätte an seinen langjährigen Gehilfen und Vetter Jakob Merz (1833 - 1906), dieser verkauft die traditionsreiche Firma am 5. Oktober 1903 an Paul Zschokke (1853 - 1932).  

Da es unter Fraunhofers Federführung in Bediktbeuren und München gelungen ist, achromatische Linsenkombinationen zu erstellen, erlangt das Unternehmen rasch Weltrang. Das Wissen bleibt in der Firma und unter Merz führt sie noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts im Bau großer Refraktoren für die Sternwarten Europas. Mikroskope sind, wie schon unter Joseph von Fraunhofers Leitung, von eher untergeordneter Bedeutung und daher recht selten. Das optische Glas wird stets nur für den Bedarf der Werkstätte in der eigenen Glashütte geschmolzen und nicht als Rohstoff an andere Firmen verkauft.

[Vergleiche Referenz 1, 2, 9, 12, 13, 14, 15, 17, 25, 56, 64, 73, 88]

(Mein herzlicher Dank für die Daten aus dem Kassenbuch von Merz gilt Jürgen Kost, Tübingen sowie für die Recherche des vollen Familiennamens des Mikroskopbesitzers gilt Dipl.-Ing. Philipp Freiherr von Hutten, Wien)



18.02.2012 by Timo Mappes

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