F. W. Schiek: Mikroskop von Prof. Rudolf Blasius


Trommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268 Trommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268 Trommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268 Trommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268

Trommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268

Kleines Schiek Mikroskop; Trommelstativ von 1863. Das Instrument ist gefertigt aus zaponiertem und geschwärztem Messing sowie gebläutem Stahl. Das Mikroskop verfügt über einen Auszugstubus (mit kleiner Luftauslaßbohrung), die grobe Einstellung wird über einen Schiebetubus ermöglicht, der Feinfokus durch das Heben des Tisches über einen seitlichen Trieb. Die Gängigkeit des Feintriebs kann über eine kleine Schraube am Führungsstift justiert werden. Die Regulierung der Beleuchtung erfolgt über eine Revolverlochblende mit vier Öffnungen.

Trommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268, Luftauslaßbohrung am TubusTrommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268, SignaturDie Signatur des Instrumentes befindet sich auf der Fassung der Schiebehülse:

Schiek
in Berlin
No 1268

Um eine bessere Standfestigkeit zu erreichen ist der runde Fuß des Mikroskops mit Blei ausgegossen.

Ausgestattet ist das Mikroskop mit den beiden Okularen Nr. 1 und Nr. 2 sowie einem dreiteiligen Satzobjektiv, dessen Systemringe mit den Schlagzahlen 1, 2 und 3 versehen sind, und einem zusammengesetzten System Nr. 4.

Liegend wird das Mikroskop im Mahagoni-Kasten untergebracht.

Herrmann Schacht (Das Mikroskop und seine Anwendung, insbesondere für Pflanzen-Anatomie und Physiologie; Verlag von G.W.F. Müller, Berlin 1851) schreibt zu diesem Stativtyp: Schiek verfertigt kleine Mikroskope nach der Construction der kleinen Instrumente Oberhäuser's, das Stativ ist etwas solider, der Tisch hinreichend breit; diese Instrumente sind sehr preiswürdig.

Im Jahre 1863 bietet Schiek weiterhin sein berühmtes Stativ auf messingenem zusammenzulegendem Dreifusse an, das grösste zusammengesetzte Mikroskop ist jedoch bereits als nach Oberhäuser bezeichnet. Das hier gezeigte kleine Trommelstativ orientiert sich ebenfalls an dem von Georg Oberhäuser angebotenen Stativ. So wird im Preis-Courant der Mikroskope von F.W. Schiek in Berlin. Halle'sche Str. No. 15 aus dem Jahre 1863 dieses Mikroskop geführt als:

G. Kleines zusammengesetztes Mikroskop

nach der Konstruktion der kleinen Oberhäuser'schen Instrumente, dessen gröbere Bewegung aus freier Hand, die feinere aber durch eine Schraube am Objekttisch bewerkstelligt wird. Es enthält vier Objektiv-Linsen und zwei Okulare u. s. w. Linearvergrösserungen 40 bis 500 Mal...40 Thlr.

Im Kasten des Mikroskops finden sich zwei Namen. Unleserlich sind Buchstaben in den Messinglack des Schlosses eingeritzt, klar zu lesen ist jedoch im Holz des Kastens

R. Blasius

Aus der Werkstätte von F.W. Schiek liegen zwei Listen vor: Eine Kundenliste (1840-1864) mit den Nummern 60 - 1341 sowie eine Auslieferungsliste der Mikroskopseriennummern 1 - 250. Die Kundennummern differieren schwankend bis zu ungefähr 30 Positionen von den Seriennummern der Mikroskope. Daher ist  eine genaue Zuordnung der Mikroskope aus der Werkstatt von F.W. Schiek mit Seriennummern über 250 in der Regel nicht möglich. Der oben erwähnte eingeritzte Name ermöglicht jedoch im Fall des hier gezeigten Mikroskops eine eindeutige Zuordnung. In der Kundenliste Schieks erscheint als laufende Nummer 1239: Herr Prof. Blasius in Braunschweig.

Ausschnitt aus der Kundenliste von F.W. Schiek

Trommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268, Namen des Besitzers, in das Holz des Kastens geritzt
Trommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268, Namen des Besitzers, in das Holz des Kastens geritzt

Es handelt sich hierbei um den deutschen Zoologen Johann Heinrich Blasius (7.10.1809-26.05.1870). Dieser absolviert 1831 das Examen für das höhere Lehramt und unterrichtet in Krefeld Mathematik, Naturgeschichte und Deutsch. J. H. Blasius studiert ab 1834 in Berlin Mathematik, Geographie, Geologie, Zoologie und Botanik. 1836 wird er außerordentlicher Professor für beschreibende Naturwissenschaften am Collegium Carolinum in Braunschweig. Er setzt sich für die Einrichtung eines botanischen Gartens ein und ist mit seinen Bestrebungen dazu 1840 erfolgreich. 1842 wird er dort zum ordentlichen Professor ernannt und wirkt in Braunschweig bis zu seinem Tod.

Rudolf Heinrich Paul Blasius (1842-1907), Abb. aus Ausstellungsdokumenten der Universitätsbibliothek / Universität Braunschweig 2009Trommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268, ObjektiveZusammen mit seinen beiden Söhnen Rudolf Heinrich Paul Blasius und Wilhelm August Heinrich Blasius führt er Feldbeobachtungen durch und beschreibt mehrere Tierarten. Derart geprägt folgen die Söhne dem akademischen Vorbild es Vaters.

Rudolf Heinrich Paul Blasius (25.11.1842-22.09.1907) wird als Bakteriologe und Ornithologe bekannt. In einem ausführlichen Nachruf (A. Nehrkorn: Rudolf Blasius. Journal für Ornithologie 56 (1), Januar 1908: 1-6) wird R. Blasius als ein Mensch beschrieben, der seine Wissenschaft [...] gern und mit größter Bereitwilligkeit in den Dienst der Allgemeinheit und der Öffentlichkeit stellt und dessen joviales und liebenswürdiges Wesen als Arzt und in der Geselligkeit von Jedem hochgeschätzt wird.

R. Blausius studiert Medizin in Göttingen, hält bereits 1863 vor der Ornithologen-Versammlung in Bodetal Vorträge zur Adlern bzw. zur Ornis Braunschweigs. Ostern 1864 bis Ostern 1865 studiert Blasius in Zürich, kehrt nach Göttingen zurück und promoviert mit summa cum laude zum Doctor medicinae, chrirurgiae et artis obstetriciae am 30. Januar 1866 mit seiner Dissertation zum Vergleich der mikroskopischen Vogeleierschalenstruktur einer großen Anzahl verschiedener Gattungen. Das hier gezeigte Mikroskop, welches an seinen Vater 1863 geliefert wurde und R. Blasius Namen trägt, eignet sich für derartrige Untersuchungen, auch wenn es über keine besondere Auflichteinheit für opake Objekte verfügt - es scheint naheliegend, dass Balsius sich dieses Geräts bedient, um seine Doktorarbeit anzufertigen.

Nach seinem Militärdienst setzt Blasius die medizinischen Studien in Wien fort, wird 1868 zum Assistenzarzt im Herzoglich Braunschweiger Contingent und 1870 zum Stabsarzt ernannt. Als solcher übernimmt er im Juli 1870 die Leitung des Feldlazaretts des X. Armeekorps. 1868 heiratet er Mally Hausmann, aus der Ehe gehen zwei Söhne und zwei Töchter hervor. Trommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268, OkulareBis 1874 bleibt Rudolf Blasius im Dienste der Armee in Zabern. Während des Feldzugs 1870/71 ergeht an Rudolf Blasius der Ruf in das Lehrfach für Naturgeschichte am Collegium Carolinum zu Braunschweig. Er lehnt den Ruf ab, sein jüngerer Bruder Wilhelm  (1845-1912)  folgt dem Wunsch des Vaters und nimmt den Ruf im April 1871 auf die Fächer Zoologie und Botanik an. 1872 wird Wilhelm Blasius zum Professor ernannt, wird Direktor des Zoologischen Museums und Direktor des botanischen Gartens.

1874 lässt sich Rudolf Blasius als praktischer Arzt in Braunschweig nieder. Während seines gesamten Lebens reist Blasius durch alle Teile Deutschlands und ganz Europas, teilweise in Form reiner Forschungreisen, teilweise für medizinische Kongresse. Er führt bis ins kleinste mit eisernem Fleiße [...] Tagebücher aller seiner Reisen [...] [um] genaue Auskunft auch über die beobachteten Vögel und verschiedenen Museen zu geben. Verhandlungen zwischen den beiden ornithologischen Gesellschaften Deutschlands bringen Rudolf Blasius in Kontakt mit Alfred Brehm, über welchen er in wissenschaftlichen Kontakt mit Kronprinz Rudolf von Österreich gebracht wird.

R. Blasius arbeitet einige Monate im Labor von Pettenkofer in München, um 1879 den Ruf zum Professor für Hygiene und Bakeriologie an die Herzogliche Technische Hochschule Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig. Seine Spezialgebiete werden Gesundheitsstatistik, Schulhygiene und Städtesanierung. Ununterbrochen betreibt Blasius daneben ornithologische Studien und ist 1900-1907 Präsident der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft.

1905 wird R. Blasius Mitglied des Herzoglichen Landesmedizinalkollegiums und kurz darauf zum Stadtrat ernannt. Seine Verdienste in Krieg und Frieden werden mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse am weißen Band, Ritterkreuz I. Klasse des Ordens Heinrich des Löwen mit Schwerten und des Ritterkreuz des badischen Zähringer Löwenordens gewürdigt. Das in dieser Sammlung gezeigte Trommelmikroskop von Georges Oberhaeuser Nr. 2569 wird mit Generaloberarzt Carl Gernet zu gleicher Zeit von einem Ritterkreuzträger des badischen Zähringer Löwenordens verwendet.

Trommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268, StativfußTrommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268, StativfußIm November 2007 kann dieses Mikroskop aus Hannover für die Sammlung erworben werden.

Friedrich Wilhelm Schiek wird 1790 als Sohn eines Chirurgen in Herbsleben, Thüringen geboren. Sein Vater wechselt den Beruf und zieht mit der Familie nach Frauensee.

Im nahegelegenen Schloß Philippsthal des Prinzen Ernst Constantin zu Hessen-Philippsthal entsteht kurz vor 1800 eine mechanische Werkstatt. Als Nachfolger des Hofmechanicus Heinrich Carl Wilhelm Breithaupt wird 1800 Ludwig Wisskemann als erster Hofopticus und Mechanicus ernannt; bei ihm geht der junge Schiek von 1808 bis 1811 in die Lehre. In Schieks Lehrbrief wird sein Fleiß und gute Benehmen besonders hervorgehoben.

Mit solch guten Referenzen wird Schiek als Mitarbeiter bei Pistor in Berlin aufgenommen. Carl Philipp Heinrich Pistor (1778-1847) hat bereits 1810 einfache physikalische Geräte angeboten und spätestens 1813 eine eigene Werkstätte gegründet, in der neben astronomischen und geodätischen Instrumente auch Mikroskope gefertigt werden. Letztere sind nach dem Vorbild der englischen Geräte gebaut, z.B. nach Jones, Ellis, Adams etc.

Das älteste bekannte Stück mit der Signatur "Pistor & Schiek" ist der Preußische Ur-Maßstab von 1816. Als Gründungsjahr der Firma Schiek wird schließlich 1819 angegeben, vier Jahre vor Plössl (mit dessen Stil die Mikroskope Schieks häufig verglichen werden). Das optisch-mechanische Institut bezeichnet sich später selbst in Anzeigen als älteste Mikroskopfabrik Deutschlands.

Möglicherweise ist Schiek bis zum Jahr 1824 als Zulieferer für Pistor tätig. Danach wird er Teilhaber, die Firma nennt sich Pistor & Schiek. Aus dem Jahre 1829 liegt in Astronomische Nachrichten Bd. 7 eine ausführliche Preisliste vor.

Sehr wahrscheinlich ist Schiek neben dem kreativen Theoretiker Pistor der mechanische Künstler in der Werkstatt. Man spricht in der Literatur der Zeit lobend von den Schiek'schen Mikroskopen, was den Schluß nahelegt, dass Schiek sich schon früh allein um die Mikroskopherstellung bei "Pistor & Schiek" kümmert. Gegen Ende des Jahres 1836 trennt sich Schieck schließlich von Pistor.

Trommelmikroskop F.W. Schiek in Berlin Nr. 1268, im KastenIn Dorotheenstraße 31g baut Schiek ab 1837 in eigener Werkstatt Mikroskope. Schon bald siedelt Schiek in die Marienstraße 1a in größere Räume um. Bei der Berliner Gewerbeausstellung von 1844 wird Schiek eine goldene Medaille für den Bau seiner Mikroskope verliehen. Man stellt die Leistung der Instrumente aus Schieks Werkstatt mit jenen von Georges Oberhaeuser Paris und Simon Plössl Wien gleich. Besonders erwähnt wird bei allen drei, dass keine überzogenen Preise für die Mikroskope verlangt werden würden. Die mittleren Stative aller drei Firmen belaufen sich dabei um 1850 auf gut 100 Thaler - das entspricht dem halben Jahrslohn eines gut bezahlten Mechanikers.

Bis Mitte der 1850er verwenden Schiek und Plössl starke Okulare und schwache Objektive - im Gegensatz zu Oberhaeuser und Amici welche die Vorteile höherer Auflösung bei umgekehrtem Verhältnis bereits erkannt haben. Zudem werden Mikroskope von Oberhaeuser und Hartnack seit Beginn mit festen System ausgeliefert, während Schiek noch bis 1860 zusammensetzbare Objektive baut.

Der "Rothe Adler Orden 4. Klasse" wird Schiek 1858 vom preußischen König für seine Verdienste im Mikroskopbau verliehen. Bis zu diesem Zeitpunkt haben 954 Mikroskope die Werkstatt verlassen. Von 1837 bis 1864 werden insgesamt 1340 Instrumente ausgeliefert.

Die Werkstatt zieht 1864 in die Halleschestraße 15 und zwischen 1868 und 1870 weiter ins Nachbarhaus Nr. 14, Rudolf Virchow (Darstellung der Lehre von den Trichinen, mit Rücksicht auf die dadurch gebotenen Vorsichtsmaßregeln. Verlag von Georg Reimer; Berlin 1864: 49) empfiehlt in jenem Jahr die einfachen Mikroskope von Schiek für die Trichinenschau und gibt in seinem Werk noch die alte Anschrift des berühmten Optikers Schiek in Berlin an. In den Jahren 1860 bis 1864 bildet Schiek seinen Sohn Friedrich Wilhelm Hermann Schieck [sic!] aus, der die Werkstatt schließlich 1865 übernimmt. F.W. Schieck spezialisiert sich auf die Weiterentwicklung handlicher und zugleich leistungsstarker Trichinen- und Reisemikroskope. Sein Vater stirbt 1870.

Über die weitere Geschichte von "F.W.Schieck Berlin", siehe die Diskussionen späterer Instrumente der Firma auf diesen Seiten!

(Referenz 25, 128; viele der Daten zu F.W. Schiek mit freundlicher Unterstützung von Hans Weil, Berlin)


02.01.2008 by Timo Mappes

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