Oberhäuser Mikroskop: Kleine Trommel; Stativ III um 1855;
zaponiertes, geschwärztes und grün lackiertes Vollmessing in Kasten.
Es handelt es sich bei diesem Mikroskopstativ um die kompliziertere
Ausführung der "Kleinen Trommel", neben der hier angebrachten Blendung
ist die Tischplatte im Gegensatz zum kleinsten
Mikroskop aus Oberhäusers Werkstätte deutlich größer
gefertigt.
Das Instrument verfügt über einen Auszugstubus, eine Grobeinstellung durch Schiebehülse sowie einen Feinfokus durch eine seitliche Rändelschraube, welche die Tischplatte parallel anhebt. Die Beleuchtung erfolgt über einen Spiegel, abgeblendet werden kann über einen Lochblendenrevolver. An optischer Ausrüstung verfügt das Mikroskop über die Objektive Nr. 2 und Nr. 7 sowie die Okulare Nr. 2 (Meßokular), Nr. 3 und Nr. 5; es fehlt jedoch die Auflichtlupe. Die Seriennummer 2569 ist auf des Leder der Stativplattenunterseite mit schwarzer Tinte geschrieben und im Kasten eingebrannt. Auf dem Tubus prangt die dekorative Signatur: G. Oberhaeuser, Place Dauphine, Paris. Noch im "Preis-Verzeichnis der achromatischen Mikroskope von E. Hartnack, Nachfolger von G. Oberhaeuser in Paris / Place Dauphine, 21" von 1861 erscheint dieses Mikroskop wie folgt:
2. Achromatisches Mikroskop mit 50-, 65-, 140-, 172-, 220- und 300facher
Vergrösserung, mit 2 Linsensystemen (4 und 7), 2 Okularen, einer
Beleuchtungslinse für opake Körper, 12 Objektivträgern
[sic!], Messingpinzette, Skalpell und Präpariernadeln; alles
eingeschlossen in einem verschließbaren Mahagonikästchen...100
Francs.
3. Achromatisches (coudirtes) Mikroskop mit breiterem Objekttisch und
einem drehbaren Diaphragma. Vergrösserungen 50, 65, 140, 172, 220 und
300 in einem ähnlichen Mahagonikästchen enthalten...115 Francs
Der am 16. Juli 1798 als Sohn eines bayrischen Drechslermeisters in Ansbach (Mittelfranken) geborene Johann Georg Oberhäuser besucht das Gymnasium und will den Ingenieurberuf ergreifen. Durch den frühen Tod seines Vaters wird er jedoch gezwungen, 1812 als Mechanikerlehrling bei dem Universitätsmechaniker du Mouceau in Würzburg einzutreten. Nach drei Jahren stirbt sein Lehrherr und Oberhäuser begibt sich als Mechanikergehilfe im Frühjahr 1816 nach Paris. Dort gelingt es ihm, mit tüchtigen Fachleuten in Kontakt zu treten und so kann er sich schon 1830 mit Trécourt und Bouquet selbständig machen. Schon bald trennt sich Oberhäuser jedoch wieder von seinen Kompagnons. Feldstecher und Mikroskope werden die Haupterzeugnisse. Zunächst verbessert er das aus dem 18. Jahrhundert stammende Trommelstativ ab 1835, wobei er es unter anderem im Innern des Fußes mit Blei beschwert. Das Schutzrecht auf ein ein "microscope achromatique vertical à miroir fixe avec platine à tourbillon" wird Georges Oberhaeuser zusammen mit Achille Trécourt im Oktober 1837 erteilt. Oberhäusers Werkstatt gelangt schnell zu einem guten Ruf durch günstige und solide Instrumente mit ausgezeichneten achromatischen Objektiven. Der Berliner Botaniker Hermann Schacht (Das Mikroskop und seine Anwendung, insbesondere für Pflanzen-Anatomie und Physiologie; Verlag von G.W.F. Müller, Berlin 1851) zum Beispiel lobt Mikroskope aus Oberhäusers Werkstatt sehr: Ich habe [ ] mindestens 30 Mikroskope verschiedener Grössen, von Oberhäuser angefertigt, unter den Händen gehabt, ich habe Jahre lang, erst mit einem kleinen, darauf mit einem mittleren Instrumente Oberhäusers gearbeitet, und deren Bilder sehr häufig, sowohl mit verschiedenen Mikroskopen von Schiek und Plössl, als auch mit Instrumenten von Norbert verglichen; dieser Vergleich entschied fast immer zu Gunsten Oberhäuser's; ich habe kein schlechtes Instrument aus dieser Werkstatt gesehen; mit der Grösse der Mikroskope und mit dem Preis derselben steigt jedoch, wie natürlich, auch die Güte der Objective. |
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Warum dieses kleine Mikroskopstativ ab den 1840ern eine so große
Verbreitung findet, beschreibt der Medizinprofessor Julius Vogel als Direktor
des pathologischen Instituts in Halle 1865 sehr bezeichnend (Aerztliche
Untersuchungsmethoden und Apparate. Mikroskope für Aerzte und
Studirende; Archiv des Vereins für wissenschaftliche Heilkunde 1
(neue Folge), 1864; Ludwig Denicke; Leipzig 1865: 81-84):
Beim jetzigen Stand der Medicin sollte eigentlich jeder Arzt ein Mikroskop
besitzen, jeder Studirende der Medicin sich ein solches anschaffen, und mit
dessen Gebrauch vertraut machen. [
] Besitzt er kein Mikroskop,
so ist er in alle solchen Fällen, wie sie ihm täglich in seiner
Praxis vorkommen können, vollkommen rathlos. Es bleibt ihm nichts
übrig, wenn er gewissenhaft sein will, als einen Collegen zu Rathe zu
ziehen, der ein Mikroskop besitzt und mit dessen Gebrauch vertraut ist.
1848 führt Oberhäuser das Hufeisenstativ ein, welches von allen führenden Herstellern übernommen wird und fast 100 Jahre im Gebrauch bleibt. Ferner standardisiert Oberhäuser die Tubuslänge auf 160 mm auf Veranlassung der damaligen Anatomen. So bleibt das Mikroskop ausreichend klein, um feuchte Objekte vertikal betrachten zu können, was mit den damaligen britischen Instrumenten nur schwer möglich ist. Dabei konstruiert Oberhäuser seine Mikroskope so einfach wie möglich, unter Verzicht auf technische Verfeinerungen, wiederum ganz im Gegensatz zu englischen Instrumenten. So erfolgt die Grobeinstellung durch Verschieben des Tubus mit der Hand, während nur zum Feinfokus eine Mikrometerschraube vorhanden ist. Diese einfache Bedienung ermöglicht es den Forschern, sich ganz auf ihre mikroskopische Arbeit zu konzentrieren. So erfreuen sich Mikroskope aus Oberhäusers Werkstätte sowohl auf Grund ihrer hervorragenden Objektive als auch der praktischen und relativ preiswürdigen Hufeisenstative großer Beliebtheit. Die "kleine Trommel" findet weite Verbreitung und wird häufig nachgeahmt. In den Jahren 1831 bis 1856 gehen 3000 Mikroskope aus Oberhäusers Werkstatt hervor. Oberhäuser nimmt 1854 seinen Mitarbeiter Edmund Hartnack als Teilhaber auf. Dieser heiratet die Nichte Oberhäusers und übernimmt das Geschäft 1864, aus welchem sich sein früherer Chef mehr und mehr zurückgezogen hat. Oberhäuser verstirbt am 10. Januar 1868 in Paris. Dieses Instrument stammt aus dem Nachlaß des Königlich Preußischen Generaloberarztes Carl Gernet (gest. 1908), welcher 1856 zum Oberarzt, 1871 zum Stabs- und Bataillonsarzt des Füselier=Bataillon 1. Badisches Leibgrenadierregiment 109 und 1883 zum Oberstabsarzt II.Klasse und Regimentsarzt des 1. Badischen Leibgrenadierregiment 109 ernannt wird. Im Laufe seiner Dienstzeit wird ihm unter anderem 1884 das Ritterkreuz I. Klasse vom Zähringer Löwen und 1897 dazu das Eichenlaub verliehen. (Mit freundlicher Unterstützung von Karl Leis, Karlsruhe aus der Familie von Generaloberarzt Carl Gernet im Sommer 2000) [Vergleiche Referenz 1, 2, 47, 56, 83, 136 sowie: Deutsches Museum München: "'Trommel-Mikroskop', signiert: G. Oberhaeuser, Paris Place Dauphine, Paris Nr. 2295", Inv.-Nr. 14460; Pathologisch-anatomisches Bundesmuseum Wien: "Zusammengesetztes Mikroskop, Trommelmikroskop um 1847 / Signatur: G.Oberhäuser, Place Dauphine, 19, Paris", Seriennummer 1720, Museal-Nr. 27.117; Museum Boerhaave, NL: "Compound microscope with box; Oberhaeuser et E. Hartnack, G..; Parijs", Inventory number V07441; Sammlung der Royal Microscopical Society: "Compound Microscope, signed: 'Georges Oberhaeuser, Place Dauphine 19, Paris'", Inventory No. 29:A97; historischer Mikroskope der Leica Microsystems GmbH Wetzlar: "Mikroskop um 1830 von Georges Oberhaeuser (1798 - 1868) Paris / sog. Trommel-Stativ"; The Microscope Collection at the Science Museum London: "Drum-base Microscope by Oberhaeuser", signiert "Georges Oberhaeuser, / Place Dauphine, 19, / Paris.", Inventory No. A56421; Billings Collection Washington: "Georges Oberhaeuser, Paris, France, compound monocular; C. 1848" signiert "Georges Oberhaeuser, Place Dauphine 19, Paris" AFIP 518903-66-6246 (Abb. 371, S. 194); Historic Microscopes at the Laupus Health Sciences Library, East Carolina University, Greenville, NC: "Small Drum Microscope, Georges Oberhaeuser Paris", Inventory No. F1]
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