Bakteriologisches Hartnack Mikroskop; Stativ V nach 1885; zaponiertes,
geschwärztes und vernickeltes Vollmessing, gebläuter Stahl. Das
große Instrument ist mit einem Gelenk zum Umlegen ausgestattet und
besitzt einen aufwendigen, seitlich mit einem Schraubentrieb abfahrbaren
und ausschwenkbaren achromatischen Beleuchtungsapparat mit Irisblende, alternativ
dazu ist ein Lochblendenhalter beigegeben. Der Plan- und Konkavspiegel wird
in 5 Gelenken gelagert. Die Tischplatte besitzt eine Hartgummiauflage. Der
skalierte Auszugstubus wird mit Zahn und Trieb grob eingestellt, eine
Rändelschraube auf der Säule ermöglicht den feinen Fokus.
Der dekorative Hartnack'sche Revolver nimmt zwei Objektive auf.
Auf der Unterseite des massiven Hufeisens befindet sich noch das Leder zur
gegenseitigen Schonung von Instrument und Tischplatte.
Das Mikroskop wird im Mahagonikasten liegend untergebracht. In dem mit einem Griff versehenen Kasten findet sich die eingebrannte Seriennummer 24560.
An optischer Ausstattung sind die Hartnack'schen Objektive der "neuen Serie" mit großem Öffnungswinkel Nr. 4 und Nr. 8 sowie das teure Ölimmersions-Objektiv Hom.Imm.No.1 beigegeben, letzteres wird in einer eigenen zaponierten Messingdose No.1 Hom.Imm. E.Hartnack Potsdam aufbewahrt. An Hartnack'schen Okularen sind Nr. 2 (Linse gesprungen) und Nr. 3 vorhanden.
Auf dem Tubus dekorativ signiert:
E. Hartnack
Potsdam
Der Beschreibung nach handelt es sich um die Modifizierung des im "Preisverzeichnis von Professor Dr. E.Hartnack" aus dem Jahre 1885 beschriebenen Stativ No. VIII.A. (Referenz 25, S. 460-463):
No. VIII.A. Neues Modell, besonders zu Bakterien-Untersuchungen geeignet,
mit Zahn und Trieb für grobe Einstellung, verbessertem achromatischen
Beleuchtungsapparat, der ebenfalls mit Zahn und Trieb zum Höher- und
Niedrigerstellen versehen ist, mit Systemen 4, 7, 8 und No. 1 homogener
Immersion, 3 Okularen ...... 500 Mark. Dasselbe ohne das Öl-Immersionssystem ...... 300 Mark. Mit Charnier zum Umlegen erhöht sich der Preis um 20 Mark.
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Im "Preisverzeichniss der Mikroskope und mikroskopischen Neben-Apparate von E.Hartnack" vom Oktober 1894 wird dieses Stativ nun mit einer Teilung der Mikrometerschraube und einem moderneren Objektivrevolver weiterhin geführt als:
Nr. V. verbessert nach den Angaben von Professor Babuchin.
Dasselbe zeichnet sich vor allen früheren Instrumenten durch grosse
Einfachheit, Solidität und Leichtigkeit im Gebrach des Condensors und
der Lichtregulierung aus.
Der Hauptvortheil und Verbesserung biete der unter der Tischplatte befindliche
Condensorträger, ein ringförmiger Apparat, welcher den genau
centrierbaren Abbé'schen Condensor mit Apertur 1,40 mit Blendvorrichtung
trägt. Letztere, eine an einem Schieber befestigte Irisblende ist in
eine Schlittenvorrichtung unterhalb des Condensorträgers eingeschoben
und ist ausserdem um die Axe des Instruments drehbar. Ein seitlich am
Blendungsschieber angebrachter Knopf dient dazu:
1. den Blendungsschieber mehr oder weniger aus dem Schlitten zu ziehen und
2. ev. denselben in dieser Stellung um die Mikroskopaxe zu drehen, so dass
das Object von allen Seiten her schief beleuchtet werden kann.
Auf Wunsch kann dieser Knopf auch als Axe mit einem kreissegmentförmigen
Trieb in Verbindung gebracht werden, um so die Lichtöffnung von 1-30
mm zu differenziren, was sonst mittels eines kleinen am Rande angebrachten
Griffes aus freier Hand geschieht.
Der Condensorträger steht vermittelst eines Armes in Verbindung mit
einem seitlich unter der Tischplatte angebrachten Zapfen, auf welchem er
durch einen eigenthümlichen Schraubenmechanismus senkrecht auf- und
niederzubewegen und um welchen er in der Horizontalen drehbar ist, um ein
bequemes Auswechseln des Condensors mit der Cylinderblendung zu
ermöglichen.
Der Spiegel ist gegenüber dem früheren vergrössert und nach
allen Seiten frei beweglich.
Die Entfernung von der Mitte der Tischöffnung bis zum Sockelstück
des Prismas beträgt 6 cm und die Höhe der Tischplatte 11 cm, dieselbe
kann auf Wunsch durch einen prismatischen Auszug in der Charniersäule
bis auf 15 cm erhöht werden.
Durch diese Construktion ist die Möglichkeit gegeben, anderweitige
umfangreiche Nebenapparate, wie den Engelmann'schen Spektralapparat oder
den Polarisationsapparat in den Blendungsschieber einzuschalten. Bei dem
Polarisationsapparat können beide Prismen sowie der Gips- und
Glimmerplättchen unabhängig voneinander gedreht werden. Der Auszug
und der Mikrometerknopf sind mit Theilung versehen. Ist die Säule des
Instruments ohne Auszug, so hat sie die Form wie die des Stativs VI [und
des "Neuen Stativs" von 1885; Anmerkung des Verfassers].
Preis des Stativs mit Condensor
und Irisblende, Charnier zum Umlegen ... M. 216,-
Preis des Stativs mit der sehr gebräuchlichen Zusammenstellung, Systemen
4, 7, I hom. Immers., 2 Ocularen, Revolver für 2 Systeme
(Vergrösserungen 650 oder 100, je nach Wahl der Oculare) ... M. 433,-
Preis des Stativs ohne Charnier zum Umlegen, weniger .. .M. 20,-
Prismatischer Auszug in der Charniersäule ... M. 20,-
Trieb an der Irisblendung ... M. 4,-
Hiermit dürfte es sich wohl um eines der ersten Stative der Bauart nach Babuchin handeln.
Zeiss bot ebenfalls 1885 erstmals ein Stativ nach Professor Babuchin an.
Aus der Preisliste von 1885 ergibt sich ferner diese Vergrößerungstabelle:
System |
Fokus der |
Okular |
Preis in Mark |
|
Nr. 2 |
Nr. 3 |
|||
No. 4 | 1/2 Zoll |
70 |
90 |
24 |
No. 8 | 1/9 Zoll |
250 |
300 |
40 |
Hom.Imm. No.1 |
1/12 Zoll |
500 |
650 |
200 |
Ein einfaches Okular kostet 8 Mark und ein Neues System No. 7 ganze 32 Mark, 20 Mark werden für einen Revolver für zwei Systeme berechnet. Mithin kostet dieses Mikroskop in der vorgestellten Ausrüstung 500 Mark im Jahre 1885.
Interessant an diesem Instrument sind die Einflüsse der Firmen Zeiss und Leitz auf das Design (nicht die Optik!). Während das von Oberhaeuser eingeführte Hufeisen noch typisch massiv ausgeführt ist und lediglich um einen Steg erweitert wird, spiegelt der übrige Unterbau des Mikroskopes den Stil Leitz'scher Instrumente wieder. Die Feinstellschraube, Säule und Tubusträger dagegen zeigen Merkmale Zeiss'scher Mikroskope. So wirken sich im Ende nicht nur Entwicklungen von Oberhaeuser und Hartnack in Wetzlar und Jena aus, sondern auch von dort fließen durch die Bedürfnisse und Anforderungen des Marktes wohl Anregungen zurück.
Dieses Mikroskop wird ursprünglich in einer Mädchenschule der österreichischen Stadt Graz eingesetzt.
Edmund Hartnack wird am 9. April 1826 zu Templin in der Uckermark geboren und lernt 1842 - 1847 in Berlin das Mechanikerhandwerk bei Wilhelm Hirschmann senior (1777 - 1847), welcher seinerseits mit Schiek und Pistor zusammengearbeitet hat. 1847 kommt Hartnack zu Heinrich Daniel Rühmkorff (1803-1877) nach Paris und geht später zu Oberhäuser. Dieser nimmt ihn 1854 als Teilhaber auf. Hartnack heiratet Johanna Maria Louise Kleinod, die Nichte Oberhäusers und übernimmt das Geschäft 1864, aus welchem sich sein früherer Chef mehr und mehr zurückgezogen hat.
Im Jahr 1864 tritt der aus Polen geflüchtete Professor Adam Prazmowski (1821 1888) dem Unternehmen bei. 1863 ist der frühere Assistent der Warschauer Sternwarte und Teilnehmer an diversen Expedition zur Beobachtung von Sonnenfinsternissen und zur Gradmessung aus politischen Gründen nach Paris gegangen. 1878 wird Prazmowski Eigentümer der Werkstätte; nach seinem Tode 1885 übernehmen die Meister Bézu & Hausser die Werkstätte und verkaufen diese 1896 schließlich an Alfred Nachet.
Hartnack muss jedoch auf Grund des deutsch-französischen Krieges 1870 Frankreich verlassen und wirkt fortan in Potsdam weiter, wo er am 9. Februar 1891 stirbt.
Hartnack wird bekannt für die
hohe Qualität seiner Objektive, u.a. führt er die Wasserimmersion
No. 11 im Jahre 1859 ein und ist damit kurze Zeit führend im
Auflösungsvermögen, mit einer numerischen Apertur von 1,05. Er
hat stets ein offenes Ohr für die mit seinen Mikroskopen arbeitenden
Forscher. Auf der Weltausstellung 1862 in London gewinnt Hartnack eine Medaille
für die allgemeine Qualität seiner Mikroskope von denen es heißt:
"Sie gleichen im Wesentlichen dem Oberhäuserschen Modell, bei der der
Mikroskopkörper auf einer hohlen, zylindrischen Basis steht, deren Oberseite
als Objekttisch fungiert." Die Hartnack'schen Objektive hält man im
London jener Zeit zweifelsohne für die besten aus nicht-englischer
Fertigung. Hartnack verwendet ferner Wasserimmersion bevor diese Technik
auf den britischen Inseln Einzug hält.
Wegen seiner Verdienste um die Medizin durch Bau und Vertrieb seiner Mikroskope wird er 1868 zum Ehrendoktor der medizinischen Fakultät Bonn ernannt; die preußische Regierung verleiht ihm 1882 den Professorentitel. In eben diesem Jahr bestätigt Prof. Fritsch: "Hartnack scheint mit seinen homogenen Imm.-Systemen Zeiss überflügelt zu haben. Hartnacks Bakterienmikroskop ist in ärztlichen Kreisen weit verbreitet und hoch anerkannt." Im Jahre 1885 befindet sich die Werkstätte in der Waisenstrasse 39, Potsdam. Im Alter bietet Hartnack seinem Mechanikermeister Franz Gresitza die Übernahme der Firma an. Jener lehnt jedoch mangels eigenem Vermögen ab und folgt lieber dem Ruf nach Jena, wohin ihn Ernst Abbes sozialpolitische Bestrebungen locken. So geht die angesehene Firma Hartnack nach dem Tode des Inhabers einem wechselseitigen Schicksal entgegen. |
[Vergleiche Referenz 1, 2, 25, 47, 84; Ein sehr ähnliches Instrument ist hier zu finden: Moody Medical Library, The University of Texas Medical Branch, Galveston, TX, USA: "Microscope, signed on the tube: Dr. E. Hartnack Potsdam", Inv.-No. 1.049]
(Das sehr gut erhaltene Instrument gelangte mit freundschaftlicher Unterstützung von Simon Weber-Unger, Wien in diese Sammlung; Datierung mit freundlicher Unterstützung von Hans Weil, Berlin)
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