Labormikoskop von R. Winkel; 1893; vollvernickeltes
und geschwärztes Messing, gebläuter Stahl. Das Mikroskop verfügt
über einen Auszugstubus, die grobe Fokussierung erfolgt über einen
Trieb mit zwei Rändelrädern, die Feineinstellung über ein
Rändelrad auf der Säule mit Inkrementen zu
1/300 mm zur
Dickenmessung.
Unter dem Tisch des Kippstatives ist ein kompletter, abnehmbarer und abfahrbarer Beleuchtungsapparat nach Abbe mit Kondensor in Schwalbenschwanzführung (alternativ kann man hier auch eine einfache Lochblendenhalterung mit 4 Blenden einführen) inklusive dezentrierbarer Irisblende mit Filteraufnahme und eingelegter Milchglasplatte in auszuschwenkender Halterung angebracht. Der dreh- und schwenkbare Plan- und Konkavspiegel rastet in der unteren Stellung über eine Feder mit Keil ein. Der zugehörige dunkle, kasettenartige Schrank mit vernickeltem Griff und auch dessen Einschübe sind ungewöhnlich aufwendig gearbeitet. Das Schloß befindet sich seitlich daran. |
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Auf der für Winkel so typischen
Dreiecksäule wurde das Instrument dem Benutzer zugewandt sehr dekorativ
signiert und sogar datiert:
No 1852 R.Winkel Göttingen 1893 An optischer Ausrüstung verfügt das Mikroskop über die Objektive R. Winkel No1, R. Winkel No5, R. Winkel V No7 und R. Winkel No8 in feinem Kästchen mit Seidenpolsterung sowie in eigener vernickelter Dose R. Winkel Homog. Immers. 1.9 mm Apert. 1.33. |
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Die Okulare Nr. 1, Nr.
2 und Nr.
4 sowie die Fluorit-Okulare Nr.
1 und Nr.
4 werden in einem gesonderten Einschub
untergebracht.
Eine der vielen Besonderheiten dieses Mikroskops stellt die Ausrüstung mit der 1.9 mm Homogenen Immersion als Fluorit-System dar - nach Firmenangaben (siehe Referenz Nr. 32) werde nämlich erst um 1893 Fluorit im Objetivbau bei Winkel eingesetzt - das hier gezeigte Stück dürfte mithin eines der ersten sein, das produziert worden ist. Noch zehn Jahre später wird dieses Stativ unverändert angeboten. Im Katalog Mikroskope und zugehörige Apparate aus der Optischen und Mechanischen Werkstätte von R. Winkel in Göttingen (Ruhla; Druck von O. Schwinger 1903) ist das Instrument gelistet als: Stativ No. 2a. Fig. 4. Fester viereckiger Objecttisch, dessen freier Raum zwischen Prismasockel und Mitte der Tischöffnung 58 mm beträgt. Breite des Tisches = 93 mm, Höhe desselben von der Standfläche des Fusses aus = 110 mm. Obertheil zum Umlegen. Beleuchtungsapparat No. 1, durch Getriebe im Schlittengange auf und nieder zu bewegen. Irisblendenträger lässt sich unter dem Tische hervordrehen, um Sternblenden oder blaue Glasscheibe einzulegen; die centrische Rückstellung wird durch Federeinschlag bewirkt. |
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Der aus der Axe verstellbare Plan-
und Hohlspiegel wird ebenfalls durch Einschlagfeder centrisch gestellt. Tubus
mit Getriebe- und Feinstellung. Mikrometerschraube hat 1mm/200
Höhenverstellung angebend. Preis 190 M.
Ohne die Einrichtung zur excentrischen Stellung der Irisblende...180 M. Dasselbe Stativ mit verstellbarem Drehtische...215 M. Ohne die Einrichtung zur excentrischen Stellung der Irisblende...205 M. Mit Iriscylinderblende, statt der gewöhnlichen Cylinderblende, mehr...10 M. Mahagoni-Schrank, innen und aussen polirt, mit vernickeltem Handgriffe...22 M. |
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Die optischen Daten der Objektive sind 1903 wie folgt beschrieben:
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Die Huygens'schen Okulare kosten 1903 je 7 Mark, die Kompensationsokulare Nr. 2 und 4 jeweils 16 Mark. Damit liegt der Preis für ein Stativ 2a mit der hier gezeigten optischen Ausrüstung (eine Immersion 1,8 mm / 1.35 statt Immersion 1,9 mm / 1.33) im Jahre 1903 immernoch bei insgesamt 635 Mark. |
Hervorzuheben ist auch, dass die Firmen Zeiss und auch Hartnack zwar
schon mindestens seit Mitte der 1880er vor allem kleine Stative für
den Laborgebrauch ganz oder teilweise vernickeln, Winkel jedoch wohl erst
ab Beginn der 1890er für die Anwendung in chemisch aggressiver Laborumgebung
voll-vernickelte Stative anbietet.
Der am 4. September 1827 als Sohn eines Lehrers in Göttingen geborene Rudolf Winkel wird durch den frühen Tod seines Vaters gezwungen den Besuch des Gymnasiums frühzeitig abzubrechen. Winkel lernt bei der Hamburger Firma Lipperts Maschinenbauer und erweitert seine handwerklichen Fähigkeiten bei der Eggerstorffschen Maschinenfabrik Hannover. Auf eine Beschäftigung beim Bau feinmechanischer Instrumente im Betrieb von F.W. Breithaupt & Söhne Kassel folgen für Rudolf Winkel mehrjährige Aufenthalte in verschiedenen Werkstätten Thüringens, Böhmens und Österreichs. Schließlich kehrt Winkel um 1855 nach Göttingen zurück und baut in der Werkstatt von Moritz Meyerstein feinmechanische Instrumente für die Göttinger Universität, er heiratet noch im selben Jahr. 1857 mietet Winkel in der Goethe-Allee Göttingen Räume an, um dort feinmechanische Arbeiten für Breithaupt und die Universität auszuführen. Der erste Lehrling Winkels wird 1858 F.G. Voigt, der spätere Inhaber von Voigt & Hochgesang. Als Folge des Krieges 1866 gerät das noch junge Unternehmen in Schwierigkeiten, da die Verbindung nach Kassel abreißt und damit ein wichtiger Kunde verloren geht. Doch eine Trichinose-Epidemie in Süd-Hannover läßt die Nachfrage nach einfachen Mikroskopen durch Rudolf Virchows Publikation 1864 zur mikroskopischen Fleischbeschau sprunghaft steigen und so verläßt im Jahre 1866 das erste Trichinenmikroskop die Winkel'sche Werkstatt. 1870 kommen aus Göttingen die ersten größeren Mikroskope, sie werden von Prof. Listing begutachtet - er vergleicht sie mit den damals sehr renommierten englischen Instrumenten und bescheinigt Winkel eine bessere Qualität seiner Instrumente als jene der Britischen Inseln. Bemerkenswert scheint dies insbesondere vor dem Hintergrund Winkels, der als Autodidakt sogar die von ihm verwendeten Maschinen zur Fertigung der Mikroskope selbst konstruiert und sämtliche Optiken zu dieser Zeit noch "pröbelnd" optimiert. Die Winkel'sche Werkstatt zieht 1874 in eigene Räume: Düstere Eichenweg 9, Ecke Baurat Gerber-Straße in Göttingen - 1885 wird die Produktionsstätte erweitert. |
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Um 1893 wird bei Winkel erstmalig Flußspat für Mikroskop-Objektive
verwendet, ein Jahr bevor der ehemalige Göttinger Student Ernst Abbe
Winkels Werkstatt seinen ersten Besuch abstattet.
Ein Beispiel aus Winkels Geschäftskorrespondenz - aus dem Herstellungjahr des hier gezeigten Mikroskopes (entnommen: Referenz 32). Es wird Rudolf Winkel nachgesagt, er habe jedes Instrument seiner Werkstätte selbst überprüft und ein Mikroskop der geringfügigsten Unebenheit wegen mit dem Hammer zerschlagen, ohne die Möglichkeit zur Behebung des Fehlers nur in Betracht zu ziehen. Rudolf Winkel stirbt am 29. Januar 1905. Das Winkel'sche Unternehmen liefert bis zum Jahre 1900 keine 3000 Mikroskope aus, ist aber stets im Kontakt zu den Anwendern der Instrumente und so auch bereit und fähig z.B. Sonderkonstruktionen im Bereich der petrographischen Mikroskope anzufertigen. 1907 werden neugebaute Fabrikgebäude in der Königsallee bezogen und die Serienfertigung wird eingeführt, das Fertigungsprogramm dabei wesentlich ausgeweitet. Über die weitere Geschichte von "R.Winkel Göttingen", siehe die Diskussionen späterer Instrumente der Firma auf diesen Seiten! (Referenz 2, 32, 44) |
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